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Sozialpädagogische Begleitung Erwachsener im Kontext von geringer Literalität bzw. Grundbildungsangeboten

Ausgangssituation

In Deutschland haben rund 6,2 Millionen Erwachsene im erwerbsfähigen Alter erhebliche Schwierigkeiten mit dem Lesen und Schreiben, obwohl der größte Anteil von ihnen in Deutschland die Schule besucht hat. Dabei steht das hohe Ausmaß an geringer Literalität von Erwachsenen im deutlichen Widerspruch zu den Anforderungen der bundesdeutschen Gesellschaft mit ihren hohen schriftsprachlichen Ansprüchen, die sich angesichts von fortschreitender Digitalisierung der Arbeits- und Lebenswelt stetig erhöhen.

Mangelnde Lese- und Schreibkompetenzen bei Erwachsenen schränken deren Teilhabe- und Partizipationsmöglichkeiten in vielen Bereichen des Alltags und des Berufs erheblich ein, auch wenn diese sehr lebensweltnah sind. Daraus resultierende Grundbildungsbedarfe beziehen sich daher auch nicht nur auf die Lese- und Schreibkompetenzen an sich, sondern auch auf Bereich wie Digitales, Finanzen, Politik, Gesundheit oder Mobilität.

Trotz der gravierenden Auswirkungen von geringer Literalität werden Schwierigkeiten Erwachsener beim Lesen und Schreiben paradoxerweise von anderen oft nicht erkannt. Dies liegt insbesondere daran, dass viele gering literalisierte Erwachsene Vermeidungsstrategien entwickeln, um ihre Probleme aus Scham oder Angst vor Diskriminierung zu verbergen („Brille vergessen“). Viele lassen sich beim Ausfüllen von Formularen o.ä. von engen Freund*innen oder Familienangehörigen (dem sogenannten „wissenden Umfeld") helfen, damit anderen Personen die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben erst gar nicht auffallen.

Damit unterscheiden sich gering literalisierte Erwachsene, wie sie im Fokus z.B. der LEO-Studie stehen, in einigen Bereichen deutlich von z.B. Teilnehmenden bzw. Interessent*innen an Alphabetisierungskursen für Migrant*innen. Unterschiede gibt es insbesondere in Hinblick auf die Ursachenkomplexe, die zum Alphabetisierungs-/Grundbildungsbedarf führen, auf die Bereitschaft an Bildungsangeboten teilzunehmen und damit auch auf Ansprachemöglichkeiten von Bildungsanbietern, um auf ihre Bildungs- und Beratungsangebote hinzuweisen. Die LEO-Studie weist aus, dass lediglich 1% der gering literalisierten Erwachsenen an einem strukturierten Bildungsangebot der Alphabetisierung und Grundbildung teilnimmt.

Sozialpädagogische Begleitung gering literalisierter Erwachsener im Projekt Delta Netz

Um gering literalisierte Erwachsene besser erreichen und fördern zu können, hat der Internationale Bund in den Modellprojekten Delta-Netz bzw. Delta-Netz Transfer sozialraum-und lebensweltorientierte Grundbildungsansätze entwickelt. Die Projekte wurden von 2018 bis 2024 im Rahmen der AlphaDekade vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. An Projektstandorten in vier Bundesländern wurden v.a. projektspezifische lokale Netzwerke ausgebaut, relevante Akteur*innen und die Quartiere selbst für das Thema geringe Literalität sensibilisiert und niedrigschwellige Grundbildungsangebote mit deutlichem Bezug zur Lebenswelt der Teilnehmenden entwickelt und erprobt.

Im Projektverlauf zeigte sich, dass viele gering literalisierte Erwachsene schwierige Bildungserfahrungen aus Schule und/oder Berufsausbildung haben, die u.a. zu Versagensängsten oder auch Schamgefühlen führen und die Motivation zur Teilnahme an Lernangeboten sowie deren erfolgreichen Abschluss beeinträchtigen. Damit weisen diese Problemlagen über die eigentlichen Grundbildungsbedarfe hinaus und können sich gleichzeitig als Barrieren für die Teilnahme an entsprechenden Angeboten auswirken.

Im Projekt Delta-Netz Transfer wurde der Fokus daher insbesondere auf die Entwicklung und Erprobung sozialpädagogischer Unterstützungssettings gelegt, mit denen gering literalisierte Erwachsene im Sinne eines umfassenden Bildungsverständnisses an der Schnittstelle zur sozialen Arbeit besser unterstützt und „empowert“ werden können.

Die sozialpädagogische Begleitung wurde dabei durchgängig angeboten, also vor, während und nach den Angeboten sowie bei Übergängen aus niedrigschwelligen Grundbildungsangeboten in weiterführende Bildungsangebote. Deutlich wurde, dass eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehungsarbeit die Voraussetzung für eine gelingende Unterstützung im Rahmen des professionell-beratenden Settings ist. Im Folgenden werden relevante Aspekte aus der Projektpraxis aufgezeigt.

Rahmenbedingungen und Phasen der sozialpädagogischen Begleitung

Für die sozialpädagogische Begleitung wurden im Projekt DeltaNetz sowie Delta-Netz Transfer allgemeine Standards für sozialpädagogische Beratungssettings berücksichtigt. Dabei hat sich gezeigt, dass bestimmte Rahmenbedingungen für die Beratung der Zielgruppe von besonders hoher Bedeutung sind, wie z.B. eine gute Erreichbarkeit der Angebote oder eine vertrauliche und geschützte Kommunikation. Dies kann durch unterschiedliche Maßnahmen gewährleistet werden.

Die Verortung im Quartier: gut erreichbar und anonym

Die Beratungsangebote im Projekt Delta-Netz sind in den jeweiligen Quartieren verortet und richten sich vornehmlich an ihre Bewohner*innen. Durch die unmittelbare räumliche Nähe sind die Angebote gut erreichbar, der Aufwand für Anfahrtszeit etc. ist minimiert. Niedrigschwellig sind sie auch, weil es sich um offene Beratungsangebote handelt, die ohne vorherige Anmeldung aufgesucht werden können. Die Angebote finden zu verlässlichen Zeiten statt und werden im Quartier für die Zielgruppe verständlich (z.B. durch Nutzung eines QR-Codes oder gut lesbarer Kontaktnummer und Beratungszeiten) und öffentlich gut sichtbar kommuniziert (z.B. durch einen Aushang am Schwarzen Brett im Supermarkt, in einer Arztpraxis, Plakate an ÖPNV-Haltestellen oder in der Einrichtung selbst).

Trotz aller Vorteile kann sich die Verortung im nahen oder eigenen Wohnumfeld jedoch auch als Barriere auswirken. Viele    gering literalisierte Erwachsene möchten nicht, dass z.B. Nachbar*innen aus dem Stadtteil mitbekommen könnten, dass ein Beratungsangebot zu Grundbildung besucht wird. Um Ratsuchenden hier ausreichend Anonymität zu bieten, wurden Beratungsmöglichkeiten als auch niedrigschwellige Bildungsangebote des Delta-Netz stets in andere sozialraumorientierte Projektsettings integriert, z.B. in ein Mehrgenerationenhaus mit angeschlossener KiTa oder ein Bürgerzentrum im Stadtteil usw..  Eine Projektmitarbeiterin berichtet hierzu in einem Interview im Rahmen der wissenschaftlichen Begleitung des Projekts wie folgt: 

(…) „Ja und wenn Betroffene hierherkommen, dann ist hier ja auch manchmal so die Scham „hoffentlich sieht mich jetzt hier keiner, wenn ich jetzt zu so einem Angebot gehe wo ich lesen und schreiben lerne“ sowas gibt’s bei uns hier nicht, diese Hemmschwelle, weil es könnte ja auch sein, dass sie hier einfach reingehen, um zum Elternfrühstück zu gehen oder zur Krabbelgruppe oder zu irgendeinem anderen Projekt, was keine Schwäche aufdeckt.“ (…)


Foto: Werbung Bushaltestelle in Suhl

Der Beratungsraum: gut zu finden, einladend und störungsarm


Foto: Beratungsraum und Lernraum – Lernoase beim IB Schwerin

Im Hinblick auf Barrierefreiheit ist weiterhin darauf zu achten, dass der Beratungsraum selbst in der Einrichtung gut zu finden ist. Er sollte für die Zielgruppe so eindeutig und verständlich ausgeschildert sein, sodass ein Erfragen des Weges zum Raum nicht nötig wird. Wichtig ist auch, dass der Raum in der  Einrichtung so verortet ist, dass geschützte und störungsfreie Gespräche möglich sind. Außerdem sollte er freundlich und einladend gestaltet und eingerichtet sein. 

Das Beratungssetting: vertraulich und geschützt

Das Beratungssetting besteht i.d.R. aus zwei Personen. Sofern es von der zu beratenden Person ausdrücklich gewünscht ist, kann der Kreis auch erweitert werden. Die zu beratende Person kann sich darauf verlassen, dass Gespräche in einem geschützten Rahmen stattfinden und vertraulich geäußerte Informationen nicht an Dritte weitergeleitet werden, es sei denn, es ist explizit gewünscht (z.B. bei einer begleiteten Weiterleitung an eine für das Beratungsthema spezifische Fachstelle).

Es hat sich gezeigt, wie bedeutsam personelle Stabilität für das Beratungssetting ist, um eine vertrauensvolle und verlässliche Beziehung zu ermöglichen. Hierfür spricht folgender Ausschnitt aus einem Interview mit einer Delta-Netz-Mitarbeiterin, die in der Projektlaufzeit zwischenzeitlich in Elternzeit war:

„(…) Und die, die Dritte, die jetzt auch wiederkommt, die hat aber von Anfang an gesagt: „wenn Frau S. nicht da ist, komm ich auch nicht mehr. Ich möchte mich nicht noch mal an eine weitere Person gewöhnen (…).“

Die Beratungspersonen: sensibilisiert und umfassend geschult

Das Thema „geringe Literalität“ wird behutsam und sensibel behandelt. Voraussetzung dafür ist, dass das beratende Fachpersonal neben einer grundsätzlichen (sozial-)pädagogischen  Ausbildung umfassend für die Herausforderungen der Zielgruppe sensibilisiert und für das Thema geschult ist. Im IB wurde eine entsprechende Sensibilisierungsschulung für Fachkräfte entwickelt, in der es nicht nur um die Vermittlung von Wissen zum Thema geringe Literalität geht, sondern die Herausforderungen in diesem Kontext auch erfahrbar werden und die sensible Ansprache auch konkret trainiert wird.

Im Beratungssetting bzw. auch in den Grundbildungsangeboten wird ein Sprachregister gewählt, das sich an Alltagssprache orientiert und authentisch ist.  Auch hierzu gibt es Schulungen für Fachkräfte, in denen die zur Nutzung einfacher bzw. verständlicher Sprache geschult, um mit der Zielgruppe sprachlich barrierearm kommunizieren zu können. Der Besuch der Schulung hat sich dabei als sehr unterstützend und zielführend für die Umsetzung von Beratungsangeboten sowie niedrigschwelligen Grundbildungsangeboten erwiesen.

Weiterhin ist es unerlässlich, dass der/die Beratende die lokalen Lern- und Unterstützungsangebote kennt und verständlich beschreiben kann. In diesem Zusammenhang ist eine gute Vernetzung mit regionalen Partner*innen sehr wichtig, sodass sowohl zu passenden Grundbildungsangeboten informiert werden kann als auch die Verweisberatung bei ggf. anderen Problemlagen möglich ist. 


Foto: Workshop zu geringer Literalität für Fachkräfte beim IB in Neuenhagen

Die Phasen im Beratungsablauf: durchgängig und verlässlich

Die sozialpädagogische Begleitung ist in der gesamten Förderkette etabliert, um Teilnehmende in Grundbildungsangeboten begleitend zu den Angeboten und darüber hinaus an Übergängen in andere Settings, zu unterstützen.

In manchen Fällen sind die Lernhemmnisse und Problemlagen gering Literalisierter so schwerwiegend, dass die Teilnahme an einem Lernangebot nicht möglich ist und auch die sozialpädagogische Begleitung an ihre Grenzen stößt. Dies ist der Fall, wenn z.B. schwerwiegende psychische Problem vorliegen. In diesem Fall ist es geraten, die Klient*innen im Rahmen einer Verweisberatung an Stellen und Institutionen zu vermitteln, die entsprechende Unterstützung leisten können.

Ablauf

Erstgespräch 

Das Erstgespräch dient v.a. dem gegenseitigen Kennenlernen und der Organisation möglicher weiterer Treffen (Kontaktdaten, Termine). Während des Gesprächs wird auf die Freiwilligkeit, Diskretion, Kostenfreiheit und die Orientierung auf das persönliche Interesse und den individuellen Kenntnisstand hingewiesen. Ggf. kann es auch bereits um Fragen dazu gehen, was die konkreten Auswirkungen der Schwierigkeiten beim Lesen, Schreiben und Rechnen im Alltag oder im Beruf sind oder auch wie der bisherige Umgang damit ist. 

Wichtig ist es, Verständnis signalisieren z.B. durch Hinweis, dass es viele Menschen gibt, die Schwierigkeiten beim Lesen und Schreiben haben. Weiterhin ist aufzuzeigen, dass es Lösungen gibt und entsprechende Strategien entwickelt werden können. 

Sollten sich bereits im Erstgespräch andere Problemlagen zeigen, die nicht zum Themenspektrum gehören, kann den betroffenen Menschen der Weg in spezifische Hilfsangebote (z.B. Schuldner*innenberatung) im Rahmen einer Verweisberatung geebnet werden. Wichtig ist es daher, zunächst zu differenzieren, welches Problem oberste Priorität hat. Es kann sich herausstellen, dass Lese- und Schreibschwierigkeiten nicht im Vordergrund stehen.
 

Folgebegleitung

Im Delta-Netz wurden Teilnehmende begleitend zu niedrigschwelligen Lernangeboten sozialpädagogisch begleitet. Dabei wurden individuelle Grundbildungsbedarfe konkretisiert und hierzu Entwicklungs-/Lernziele formuliert, die in Abstimmung mit persönlichen Ressourcen auch realistisch erreichbar sind. Die Ziele lassen sich in Folge in Folge überprüfen und ggf. anpassen. Hierzu zählt auch, dass die Teilnahme am Angebot wird mit Blick auf weitere Passgenauigkeit bei Bedarf überprüft wird. Auch Lernhemmnisse lassen sich so identifizieren und geeignete Lösungsansätze entwickeln.

Von hoher Bedeutung hat sich gezeigt, dass erreichte Lernerfolge bzw. der Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen, die für eine positive Lebensgestaltung bzw. für gelingende Bildungsprozesse grundsätzlich relevant sind, regelmäßig reflektiert werden, um Erfahrungen von Selbstwirksamkeit der Lernenden im Lernprozess zu stärken und somit die Teilnehmenden zu empowern.

In der Begleitung geht es auch um die Ausbildung individuelle Strategien für die Bewältigung konkreter Problemlagen im Alltag.
 

Übergänge begleiten

Für die Betroffenen sind Übergänge zwischen den Institutionen große Herausforderungen. Dabei wechseln sie zwischen den

  • Netzwerkpartnern im Sozialraum der Betroffenen z.B. zu Beratungsstellen
  • Kooperationspartnern (z.B. Volkshochschulen) und
  • niedrigschwelligen Lernangeboten des "Delta Netz Transfers"

Übergangssituationen können Gefühle wie z.B. Scham oder Versagensängste verstärken, daher sollten diese im vertrauten Rahmen sozialpädagogisch begleitet werden. Damit lassen sich Lernabbrüche verhindern und Hürden beim Wechsel aus dem Weg räumen.

Sozialpädagogische Grundhaltung

Die sozialpädagogische Grundhaltung in der Arbeit mit gering literalisierten Erwachsenen ist von zentraler Bedeutung, um eine vertrauensvolle und unterstützende Beziehung aufzubauen. Diese Grundhaltung basiert auf Respekt, Empathie und Wertschätzung der individuellen Lebenssituation der Klient*innen und sollte grundsätzlich von Offenheit, Akzeptanz und Toleranz geprägt sein.

Die sozialpädagogische Fachkraft sollte sich als Begleiter*in verstehen und die Klient*innen in ihrem Lernprozess unterstützen, ohne sie zu bevormunden. Dies bedeutet, dass die Fachkraft die Stärken und Ressourcen der Erwachsenen in den Vordergrund stellt und sie ermutigt, aktiv an ihrer eigenen Entwicklung zu arbeiten. Durch partizipative Ansätze können die Klient*innen in Entscheidungsprozesse einbezogen werden, was ihr Selbstbewusstsein stärkt und ihre Motivation fördert.

Ein wichtiger Punkt ist auch die Förderung von Selbstwirksamkeit. Gering literalisierten Erwachsenen sollte die Möglichkeit gegeben werden, eigene Ziele zu setzen und diese Schritt für Schritt zu erreichen. Hierbei ist es entscheidend, realistische und erreichbare Ziele zu formulieren, um Frustration zu vermeiden und Erfolge sichtbar zu machen.

Durch die Schaffung eines unterstützenden Umfelds und die Förderung von Selbstwirksamkeit können diese Erwachsenen ermutigt werden, ihre Fähigkeiten zu entwickeln und ihre Lebenssituation aktiv zu verbessern.

Beziehungsarbeit als Basis sozialpädagogischer Arbeitsweise

Aufgrund der Besonderheit der Zielgruppe erfordert die Begleitung gering literalisierter Menschen spezifische sozialpädagogische Arbeitsweisen, um ihre Bedürfnisse und Herausforderungen angemessen zu adressieren.

Folgende Faktoren spielen bei einer erfolgreichen Beziehungsarbeit eine entscheidende Rolle:

  1. Praktische Unterstützung: Gering literalisierte Menschen profitieren von praktischen Übungen und Anwendungen, die ihnen helfen, ihre Fähigkeiten im Alltag zu verbessern, wie z.B. das Lesen von Formularen oder das Verstehen von Informationen.
     
  2. Motivationsförderung: Die Förderung von Selbstvertrauen und Motivation ist entscheidend. Positive Rückmeldungen und das Feiern kleiner Erfolge können dazu beitragen, das Interesse am Lernen zu steigern.
     
  3. Empathie: Um mit gering literalisierten Menschen in Beziehung zu treten, ist Empathie und aktives Zuhören zwingend notwendig. Zuhören heißt in diesem Zusammenhang:
    • Sich zuwenden (Blickkontakt, Nähe, Zeit haben)
    • Verstehen zeigen (ja, mhm, spiegeln, nachfragen)
    • Verständnis und Wertschätzung
    • mitfühlen aber nicht mitleiden
    • Gefühle des Gegenübers zulassen und annehmen
     
  4. Ressourcenorientierung: Es ist wichtig, die vorhandenen Stärken und Ressourcen der Personen zu erkennen und zu nutzen, um sie in ihrem Lernprozess zu unterstützen.
     
  5. Vertrauensvolle Beziehung: Der Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung ist essenziell. Menschen, die sich sicher und respektiert fühlen, sind eher bereit, sich auf Lernprozesse einzulassen.
     
  6. Interdisziplinäre Zusammenarbeit: Die Zusammenarbeit mit anderen Fachkräften, wie Lehrkräften oder Therapeut*innen, kann zusätzliche Unterstützung bieten und die Begleitung ganzheitlicher gestalten.
     
  7. Wertschätzende und verständliche Gesprächslage: Das Beratungssetting ist grundsätzlich von Geduld geprägt, wertschätzend und zugewandt, hierzu zählt z.B. auch, dass kein Monitor die Blickachse zwischen beratender und zu beratender Person stört. Ein deutlicher Fokus sollte auch auf nonverbale Kommunikation liegen. Gibt es Anzeichen von Anspannung oder Frustration, geballte Fäuste, verschränkte Arme oder eine angespannte Mimik? Dies könnte darauf hinweisen, dass das Gegenüber eine Pause braucht oder zu aufgebracht ist, um zum jetzigen Zeitpunkt an einer konstruktiven Problemlösung zu arbeiten.
     
  8. Unterstützung von Selbsthilfestrukturen: Der Austausch in Gruppen kann unterstützend wirken. Erfahrungen können geteilt und voneinander gelernt werden, was das Gemeinschaftsgefühl stärkt.

Diese Ansätze können dazu beitragen, gering literalisierte Menschen effektiv zu unterstützen und ihre Teilhabe an der Gesellschaft zu fördern.

Nähe und Distanz in der sozialpädagogischen Begleitung

Die sozialpädagogische Begleitung ist in der täglichen Arbeit stets mit der Dynamik von Nähe und Distanz konfrontiert. Das richtige Verhältnis von Nähe und Distanz gleicht dabei oft einer Gratwanderung.

Für den Aufbau einer Beziehung ist Vertrauen enorm wichtig. Dies bedeutet natürlich auch Nähe, die zugelassen werden muss, um diese vertrauensvolle Beziehung aufbauen zu können. Nähe bedeutet, sich auf das Gegenüber verlassen und sich aufeinander einlassen zu können.

Ein zu viel an Nähe kann jedoch zu Machtmissbrauch führen. Die sozialpädagogische Begleitung bestimmt dann das Handeln der Klienten*innen und beraubt sie ihrer Eigenständigkeit.

Empathisches Verhalten schließt jedoch nicht die Reflexion des eigenen Handelns und die Selbstbehauptung aus. In der sozialpädagogischen Begleitung von Klienten*innen ist ein angemessenes Verhältnis von Nähe genauso zentral wie die Distanz. Sie ist wichtig, um die Klient*innen in ihrer Eigenständigkeit, Selbstbestimmung und Selbstverantwortung zu fördern und nicht einzuschränken. Auch für die sozialpädagogische* Begleitung ist eine gewisse Distanz notwendig, um sich vor emotionalem Stress zu schützen und abzugrenzen. Eine zu große Distanz führt jedoch oft zu Gleichgültigkeit der Klient*innen und behindert den Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung.

In der sozialpädagogischen Begleitung gilt demnach die Herausforderung, eine gute Balance zwischen persönlicher Nähe und beruflicher Distanz zu finden, und damit den individuellen Bedürfnissen der Klient*innen gerecht zu werden. Zu beachten ist dabei immer auch die Persönlichkeit der Klient*innen.

Fazit: Unsere Schlussfolgerungen für eine erfolgreichesozialpädagogische Begleitung

Transparenz in den Beratungsstrukturen

Für eine sensible Ansprache und qualifizierte Vermittlung in professionelle Lern- und Unterstützungsangebote benötigen Mitarbeitende in den Beratungseinrichtungen und Sozialen Diensten entsprechendes Hintergrundwissen. Dies zu vermitteln, ist schon bei der Konzeption von Schulungen wichtig. Diese Fachkräfte können über Vorträge/Seminare für das Thema sensibilisiert werden, wenn das Netzwerk der kommunalen Lern- und Unterstützungskultur im Bereich Alphabetisierung und Grundbildung transparent und anschaulich erläutert wird.

Information über bestehende Angebote

Relevant sind weiterhin Informationen zu didaktischen Konzepten, zur praktischen Gestaltung der Lernangebote, zu konkreten Lernorten und -formaten. Erst eine klare Vorstellung von Angeboten zur Grundbildung gibt den beratenden Fachkräften Sicherheit im Umgang mit dem Thema. Den betroffenen Menschen ebnet eine vertrauensvolle Beratung den Weg zu den möglichen Hilfsangeboten in den Weiterbildungseinrichtungen. Allein das Wissen um die Existenz von Lern- und Unterstützungsmöglichkeiten reicht nicht aus.

Verankerung der Beratungsstrukturen

Gleichermaßen muss die Alphabetisierung und Grundbildung Erwachsener konkret und als selbstverständlich in den Beratungsstrukturen der Träger selbst verankert sein. Solange die Unterstützung gering Literarisierter Erwachsener durch die sozialen Dienstleister ausschließlich mit einem Hinweis auf „externe“ Angebotsstrukturen verbunden ist, wird sie für Fachkräfte als auch für die Klientel wenig selbstverständlich und nur in Ausnahmen praktikabel.

Verringerung von Bildungsdistanz

In der Praxis muss daher versucht werden, Bildungsdistanz durch geeignete niedrigschwellige Unterstützungsangebote zu überwinden. Diese müssen die individuellen Voraussetzungen des zu Unterstützenden berücksichtigen. Wichtig: jeder Schritt in diesem Prozess - wenn auch ein kleiner -  sollte belohnt werden.

Sozialpädagogische Begleitung in aufbauende Lernangebote

Die sozialpädagogische Begleitung an Übergängen in aufbauende Lernangebote zum nachholenden Erwerb z.B. von Lese- und Schreibkompetenzen konnte im Projektrahmen nicht umfassend erprobt werden. Dennoch lassen die bisherigen Erfahrungen Rückschlüsse darauf zu, dass es sich lohnt zu diesem Thema weiter nachzuhalten, insbesondere auch in Bezug auf bekannte Drop-Out-Aspekte in Lernangeboten der Alphabetisierung und Grundbildung.

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